30. Bundesheimattreffen der Kreis Reichenbacher in Warendorf

Stellv. Bürgermeisterin Doris Kaiser, Stellvert. Landrat Franz-Josef Buschkamp, Vors. Heimatbund Kreis Reichenbach Heinz Pieper, Vors. Kreisheimatbund Beckum-Warendorf Prof. Dr. Paul Leidinger

Eindrücke von der Feierstunde am Gedenkstein und vom Treffen im Hotel Emshof

Ansprache von Herrn Prof. Dr.Leidinger, Vorsitzender des Kreisheimatbundes Beckum-Warendorf  

30. Reichenbachertreffen  am 5. und 6. Juni 2010 in Warendorf

 

Lieber Herr Rogel, verehrte Reichenbacherinnen und Reichenbacher,

 

als Vorsitzender des Kreisheimatvereins Beckum-Warendorf heiße auch ich Sie herzlich in Ihrer Patenstadt Warendorf zu Ihrem 30. Reichenbachertreffen willkommen. Die Gedanken gehen dabei zurück auf das erste Treffen in Warendorf 1952. Die Stadt hatte anlässlich ihres 750-jährigen Stadtjubiläums 1951 als Dank für die Verschonung von größeren Kriegsleiden als erste westfälische Stadt die Patenschaft über eine ehemals ostdeutsche Stadt, die schlesische Kreisstadt Reichenbach, erklärt, um den von dort vertriebenen und in viele Richtungen verstreuten Reichenbachern eine ideelle Heimat zu geben, die ihnen in der aufoktroyierten Fremde eine damals notwendige Orientierung ermöglichen sollte. Der Kreis Warendorf hatte sich dieser Entscheidung durch die Übernahme der Patenschaft über den Kreis Reichenbach am 2. August 1952 anlässlich des ersten Patenschaftstreffens in Warendorf angeschlossen.

 

Warendorf hat in den nun fast 60 zurückliegenden Jahren diesen Ehrendienst an den vertriebenen Reichenbachern – wenn auch gelegentlich mit Diskussionen um Sinn und Zweck – immer erfüllt. Am ersten Reichenbacher Treffen in Warendorf nahmen 4.000 Bürger aus der schlesischen Patenstadt und dem Patenkreis teil. In den folgenden Jahren stieg ihre Zahl auf über 10.000 an, d.h. dass fast jeder achte der etwa 85.000 Bürger des Kreises Reichenbach,  der fast dreimal so groß wie der frühere Kreis Warendorf war, und etwa jeder zweite Bürger der Stadt Reichenbach, die mit 18.000 Einwohnern vor 1945 doppelt so groß wie Warendorf war, damals zu den Treffen in die unzerstörte westfälische Stadt  kam, um sich hier zu wieder zu sehen, nach Vermissten zu suchen, Schicksale auszutauschen und sich Mut für den Neuanfang und das Leben in der neuen Heimat zu machen. Die Reichenbachertreffen waren auch für die Bürger der Stadt Warendorf und die Verwaltung immer ein festliches Ereignis, auf das man sich immer besonders vorbereitete.

 

Heute ist es wesentlich stiller um das Treffen geworden. Die Zahl der Besucher ist durch Alter und Tod wesentlich zurückgegangen. Die Nachfahren sind in die Lebenswelt Westdeutschlands integriert. Der Kreis Warendorf hat sich seit einigen Jahren schon aus der Patenschaft zurückgezogen. Anstelle der früher großen öffentlichen Kundgebungen auf dem überfüllten Marktplatz ist das stille Treffen am Gedenkstein im Schatten der Christuskirche getreten, den der Bund der Reichenbacher aus schlesischem Granit hier fünfzig Jahre nach dem ersten Patenschaftstreffen im Jahre 2002 aufgestellt hat. Er überdauert das Leben der Generationen, auch der unsrigen und der künftigen. Er bleibt ein Gedenkstein an die schlesische Heimat und die Toten, die dort oder in der neuen Heimat ihre Ruhe gefunden haben. Er ist aber auch ein Mahnmal gegen das Unrecht der Vertreibung, das über 50 Millionen Menschen, darunter 15 Millionen Deutsche, infolge des von Hitler angezettelten Zweiten Weltkriegs erlitten haben. Er weist darauf hin, dass das Recht auf Heimat ein unveräußerliches Menschenrecht ist, das heute unter dem Schutz der Menschenrechte der Vereinten Nationen und Europas steht, auch wenn es in Teilen der Welt immer noch missachtet wird.

 

Europa selbst bildet nach Jahrhunderten von Kriegen, Okkupationen und Unterdrückung, die vielen Menschen zum Schicksal geworden sind, eine wachsende Union, die Frieden und Wohlstand garantieren soll. Gerade Deutsche und Polen haben dadurch nach langen Phasen feindlicher Nachbarschaft zu einem friedlichen Miteinander gefunden. Nicht zuletzt sind die Vertriebenen zu Botschaftern dieser Verständigung und Versöhnung zwischen unseren Ländern über die Grenzen und Gräber der Vergangenheit hinweg geworden. Der Kreisheimatverein Beckum-Warendorf, der sich seit seiner Gründung 1957 auch zum Anwalt der Vertriebenen gemacht hat, besuchte auch im letzten Jahr wieder auf einer Partnerschaftsfahrt nach Schlesien die Warendorfer Patenstadt Reichenbach und die dort noch lebende kleine Schar der deutschen Altreichenbacher. Wir haben erlebt, dass die europäische Verbundenheit Polens

seit 2004 mit einer neuen Blüte Schlesiens verbunden ist, die es zu einer europäischen Landschaft macht, und dass die neuen Bewohner des Landes die deutsche Phase ihrer Geschichte wieder zu entdecken und zu würdigen beginnen.

 

Sechseinhalb Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg ist das ein beglückendes Ergebnis politischer Entwicklung, das besonders von den Vertriebenen lange ersehnt wurde, aber lange nicht als realistisch erschien. Es lässt das Leid von Gestern durch die Hoffnung der Gegenwart und die Zuversicht der Zukunft überwinden, nunmehr eine gemeinsame europäische Heimat in Freiheit und Frieden zu haben, die es gemeinsam zu bewahren und weiter zu entwickeln gilt. Der Kreisheimatverein Beckum-Warendorf wird mit Ihnen weiterhin an dieser Aufgabe arbeiten. Er wünscht Ihnen einen guten Aufenthalt in der Stadt und freut sich auf noch viele weitere Treffen und gemeinsame Aktivitäten.

Artikel Tageszeitung "Ahlener Volkszeitung"